KZ-Außenlager SS-Reitschule
Sicht
eines Anwohners
Die Pferdeställe
Erinnerungen
Nach
dem Krieg
Gerhard
S., geb. 9.10.1929 in Braunschweig, wohnhaft seit 1943 in einem Siedlungshäuschen
an der Schefflerstr. Nr.7 (...)
Da wir da draußen allein wohnten, konnte ich nach Herzenslust
spielen. 1936-37 wurde die SS-Reitschule vom Braunschweigischen Staat
geplant, im Zusammenhang mit dem Ausbau des Schlosses zur SS-Führerschule.
Mein Vater mußte 1938 unser Grundstück verkaufen, erwarb
aber ein neues Baugrundstück an der Holzmindener Str. worauf ein
neues Haus geplant war. Wir konnten in
dem Haus wohnen bleiben bis zur Fertigstellung.
Wir waren in den Komplex der SS einbezogen. Hatten aber einen eigenen
Zugang von der Schefflerstr. und einen Hinterausgang, um über das
Grundstück der SS zum Limbecker Hof zum Einkaufen zu gehen.(...)
Ich war Pimpf und Hitlerjunge, mehr aus Pflicht als aus Neigung.(...)
Die Pferdeställe
1944 war ich in der Tischlerlehre und in meiner Freizeit zu Hause Die Pferdeställe waren leer, teilweise wurde ein Stallteil zur
Unterbringung von ausgebombten Leuten und deren restl. Habe kurzzeitig
genutzt.
Ein Stallteil wurde zu Beginn des Winters mit Häftlingen belegt.
Ich konnte kurz einen Blick einwerfen. Ich war bekannt bei den Wachleuten,
weil ich innerhalb des Grundstückes
freien Zugang hatte.
Ich habe nie über die Hintergründe nachgedacht, habe nur gesehen
was war. Der Stall war aus Beton mit Metallpfeilern zum Abteilen der
Boxen. Die Futterkrippen aus Ton waren einbetoniert und dienten den
Häftlingen zum Aufbewahren ihrer Habseligkeiten. Die Matratze bestand
aus Stroh, es waren teilweise verschmutze Decken und Kleidungsstücke
vorhanden. Die Ablaufrinne für die Jauche wurde Nachts wahrscheinlich
zum Urinieren benutzt. Die Ställe waren nachts durch schwere Türen
abgeschlossen. Der Stall war nicht geheizt, war aber winddicht und durch
die Atemluft muß es sehr feucht gewesen sein. Das feuchte Stroh
wurde dann in Schiebekarren rausgefahren und auf dem Hof ausgekippt(...)Zur
Bewachung waren SS-Weiber mit Hosenröcken
als Uniform, Langschäfter und Reitpeitsche in der Hand.(...)
Erinnerungen
Unser Haus war inzwischen an die Versorgungsleitung der SS mit eigenem
Zähler angeschlossen. Eines Tages hatten wir einen Schmutzwasser-Rückstau
in unsere Waschküche. Die Stall-Entwässerung war vestopft.
Nachdem die Leitung wieder frei war, wurde unsere Waschküche von
3-4 Frauen mit Eimern leergeschöpft, da der Ablauf höher lag.
Ich kam darauf zu und war neugierig. Es waren jüngere Frauen, die
einen großen Lebenswillen ausstrahlten, obwohl sie verlumpt und
mit Schmutz behaftet waren. Eine Frau [hat] in dem Schmutzwasser eine
Nadel mit eingefädeltem Faden gefunden und, da zufällig keine
Bewachung da war, freudig eingesteckt.(...)
Die Reithalle war im Rohbau fertig und hatte noch keine verglasten Fenster.
Ich wollte wissen, was in der Reithalle geschah und fuhr in einem unbewachten
Augenblick mit dem Fahrrad ran, stellte mich auf das Rad und sah neben
den beiden Latrinengruben 2 Leichen liegen, die sich Kopfüber in
die Latrine gestürzt haben, eine Verzweiflungstat, nach meiner
Erinnerung waren es eine Frau und ein Mann. Ich bin sehr nachdenklich
schnell weggelaufen. Konnte aber mit meinem Vater nicht darüber
sprechen.
Nach dem Krieg
Nach dem Kriege wurde die Existenz des Lagers totgeschwiegen. Ich wurde,
nachdem das Lager aufgelöst wurde, eingezogen zum Arbeitsdienst
und (...) von den Amerikanern interniert und kam erst im Juni wieder.
Von dem Lager war nichts mehr zu sehen, alles gesäubert und ordentlich.(...)
Quelle:
Archiv des Arbeitskreises Stadtgeschichte e.V., Wehrstr.27, 38226 Salzgitter
www.gedenkstaette-salzgitter.de