Seit März 1933 entstanden in jedem Oberlandesgerichts-Bezirk
Sondergerichte als eine Form von Schnelljustiz, mit eingeschränkten
Rechten für die Angeklagten und einem beschleunigten Verfahrensablauf.
Die Gerichte setzten sich aus dem Vorsitzenden Richter und zwei weiteren
Richtern zusammen.
Das Braunschweiger Sondergericht tagte im Gebäude des Landgerichts
an der Münzstraße 17. Von 1933 bis 1945 kamen weit über
7000 Personen mit dieser gefürchteten Institution in Berührung.
92 Angeklagte verurteilte das Gericht zum Tode, unter ihnen 9 Frauen;
fast die Hälfte der Todesurteile richtete sich gegen Zwangsarbeiter
und Kriegsgefangene.
In den Jahren 1933/34 stellte sich das Gericht ganz und gar in den Dienst
der Bekämpfung der politischen Gegner der Nationalsozialisten. In den
folgenden Jahren bis Kriegsbeginn verhandelte das Gericht vor allem Verstöße
gegen das "Heimtückegesetz", das jede regimekritische Äußerung
unter Strafe stellte. In der Kriegszeit verstanden sich die Sondergerichte
als "Panzertruppe der Rechtspflege". Neue Straftatbestände erweiterten
ihre Zuständigkeit. Strafbar war u.a. der Umgang mit Kriegsgefangenen,
das Abhören ausländischer Sender, das Schwarzschlachten. Die fürchterlichsten
Strafen verhängte das Gericht im Krieg bei Verstößen gegen
die "Volksschädlingsverordnung" von 1939, die etwa für Plünderung
die Todesstrafe vorsah (s. Schicksal
der Erna Wazinski), und gegen die "Polenstrafrechtsverodnung". Wie viele
Instituionen des NS-Staates funktionierte das Sondergericht bis in die letzten
Kriegstage.
Im Gebäude an der Münzstraße 17 befanden sich während
der nationalsozialistischen Herrschaft auch das Erbgesundheitsobergericht
und das Erbhofgericht des Landes Braunschweig. Bei den jedem Amtsgericht
angegliederten Erbgesundheitsgerichten konnten die Gesundheitsämter
nach dem "Gesetz zur Verhütung erbkranken Nachwuchses" vom 14.7.1933
die Zwangssterilisation beantragen; das Obergericht war die Berufungsinstanz.
Todesurteile des Braunschweiger Sondergerichtes wurden in der Hinrichtungsstätte
des Strafgefängnisses in Wolfenbüttel vollstreckt.
Literatur:
Ludewig, Hans-Ulrich / Kuessner, Dietrich: "Es
sei also jeder gewarnt". Das Sondergericht Braunschweig 1933-1945. Langenhagen
2000 (= Quellen und Forschungen zur Braunschweigischen Landesgeschichte,
Bd. 36).