Alte Waage

Geschichte der Hitler-Jugend

Nicht die Schule oder das Elternhaus standen ab 1933 im Zentrum nationalsozialistischer Erziehungspolitik. Die Hitler-Jugend und andere außerschulische Einrichtungen (wie der Reichsarbeitsdienst) wurden zum wichtigsten Mittel der Beeinflussung der Jugend durch die Nationalsozialisten. Die Entwicklung der HJ zur bedeutsamsten dieser Jugendorganisationen wurde insbesondere von Baldur von Schirach, seit 1931 Reichsjugendführer der NSDAP und seit 1936 Braunschweiger Ehrenbürger, beeinflusst. Schirach vertrat bereits vor 1933 einen "Totalitäts- und Führungsanspruch" der HJ gegenüber anderen Jugendverbänden. Doch erst nach der Machtergreifung und der Ausschaltung anderer Jugendbünde gelang es den Nationalsozialisten, die HJ als einzige und ausschließliche "Staatsjugend" zu installieren.

Bis 1933 stand die HJ in Konkurrenz zu den zahlreichen, bereits bestehenden Jugendorganisationen, zu denen vor allem die Bündische Jugend zählte. Zwar gab es teilwiese durchaus gemeinsame ideologische Grundüberzeugungen zwischen der HJ und bündischen Gruppen, doch beanspruchte die Mehrzahl der Bünde Eigenständigkeit. Nach der Machtergreifung setzten sich die Nationalsozialisten mitels der Übernahme und Gleichschaltung von Dachverbänden (z.B. durch die Besetzung des "Reichsausschusses deutscher Jugendverbände" am 5. April 1933), der gewaltsamen Zerschlagung, des Verbots bzw. der Ein- und Angliederung anderer Organisationen sowie des Aufbaus eines von zentraler Stelle gelenkten und straff duchorganisierten Führungsapparats in kurzer Zeit gegenüber anderen Gruppen durch und monopolisierten die Jugendarbeit. Hartmann Lauterbacher, in Braunschweig aufgestiegener Stabsführer der HJ, baute die Hitler-Jugend reichsweit auf und war zu Beginn des Zweiten Weltkrieges kurzzeitig Nachfolger Baldur von Schirachs.

Mit Einführung des Verbotes der anderen Verbände änderte sich die Situation für die HJ, da sie nun die einzige Alternative für Jugendliche war, um gemeinsam etwas zu unternehmen. Geworben wurde unter anderem mit unterrichtsfreien Samstagen für HJ-Mitglieder; wohingegen Nicht-Mitglieder Repressionen ausgesetzt waren. Ein weiterer Faktor für den "Erfolg" der HJ waren die auf Massenpsychologie abgestimmten Taktiken, wie etwa großangelegte Umzüge, sportliche Wettkämpfe, Ordensverleihungen sowie die Einführung von Uniformen als Zeichen der Gruppenzugehörigkeit. Mit dem "Gesetz über die Hitler-Jugend" vom Dezember 1936 fand die Gleichschaltung der Jugend ihren Abschluß, die "gesamte deutsche Jugend" sollte fortan in der HJ im Sinne der nationalsozialistischen "Volksgemeinschaft" erzogen werden. Die zweite Durchführungsverordnung zu diesem Gesetz vom 25. März 1939 drohte den Erziehungsberechtigten bei Nicht-Anmeldung ihrer Kinder Strafe an - die Mitgliedschaft in der HJ war fortan Pflicht.

Quelle:
Keim, Wolfgang: Erziehung unter der Nazi-Diktatur. Bd. I: Antidemokratische Potentiale, Machtantritt und Machtdurchsetzung. Darmstadt 1995, bes. S. 123ff.