Landtag
Wahlergebnisse 1930 und 1932
Aufschluss über die Sozialstruktur
der NSDAP-Wähler in der Stadt Braunschweig liefert eine Analyse
der Wahlergebnisse in den kleinsten Einheiten, den Stimmbezirken. Im
Folgenden werden die Ergebnisse der (gemeinsam mit den Landtagswahlen
durchgeführten) Reichstagswahlen vom 14. September 1930 mit denen
der Reichstagswahlen vom 31. Juli 1932 verglichen:
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Visualisierung der Wahlergebnisse
von 1930 und 1932 |
1930: Reichstags- und Landtagswahlen
Am 14. September 1930 fand die Wahl
zum Braunschweiger Landtag statt, gleichzeitig mit den Wahlen zum Reichstag
in Berlin. Im Vorfeld schlossen sich die bürgerlichen Parteien
(mit Ausnahme der Staatspartei) zur Bürgerlichen Einheitsliste
(BEL) zusammen, mit dem Ziel, die SPD-Regierung mit dem Ministerpräsidenten
Heinrich Jasper abzulösen. Die sozialdemokratische Schulpolitik
stand im Mittelpunkt des erbittert geführten Wahlkampfs. Doch die
BEL kämpfte nicht mehr allein um die bürgerlichen Wähler;
sie hatte einen Konkurrenten bekommen: die NSDAP. Sie war der eigentliche
Wahlsieger. Die NSDAP erreichte im Landesdurchschnitt 22,2%, gegenüber
3,7% im Jahr 1927; die bürgerlichen Parteien mussten schwere Verluste
hinnehmen. Die KPD verzeichnete leichte Stimmengewinne, die SPD leichte
Verluste. Die BEL war weit hinter ihren Erwartungen zurückgeblieben
und konnte allein keine Regierung bilden. Eine Koalition mit der SPD
wollten die bürgerlichen Parteien auf keinen Fall eingehen; da
blieb für die Regierungsübernahme nur das Bündnis der
BEL mit der NSDAP. Seit 1930 konnte deshalb im Land Braunschweig die
NSDAP aus der Regierung heraus den Kampf gegen die Arbeiterparteien
und gegen die Demokratie führen, drei Jahre länger als anderswo
im Reich.
Die größten Gewinne erzielte die NSDAP in diesen Wahlen beim
bürgerlichen Mittelstand, den Kleinhändlern, den Beamten und
Angestellten, aber auch in der Oberschicht. Sie alle glaubten sich von
den traditionellen bürgerlichen Parteien nicht mehr hinreichend
vertreten. Hier bot sich die NSDAP mit ihrem Antisozialismus, ihrem
Antiparlamentarismus, ihrem verschwommenen Antikapitalismus und ihrem
Antisemitismus an. Es lassen sich für die Stadt Braunschweig die
NSDAP-Hochburgen sowie diejenigen Stadtviertel ermitteln, in denen die
Partei die geringsten Erfolge erzielte. Insgesamt gewann die NSDAP in
der Stadt Braunschweig 1930 24,7% der Stimmen.
Die besten Ergebnisse erzielte sie
im
Stimmbezirk 23 (39,5%) Friedensallee (heute: Jasperstraße), Kasernenstraße
Stimmbezirk 22 (38,5%) Bismarck-, Fasanen-, Hoch-, Howaldt-, Park-,
Ziethenstr.
Stimmbezirk 28 (36,3%) Aller-, Roon-, W.Bode-Straße, Am Stadtpark
Stimmbezirk 12 (36,1%) Bertram-, Bienen-, Gerstäcker-, Herder-,
Körner-, Mentestraße
Stimmbezirk 34 (35,8%) Gauß-, Götting-, Linne-, Schleinitzstr.,
Wendentorwall
Stimmbezirk 31 (35,7%) Berner-, Dörnberg-, Lützow-, Schunterstr.,
An der Pauli Kirche
Stimmbezirk 27 (34,6%) Blücher-, Gneisenau-, Hagen-, Wabe-, Yorkstr.,
Am Stadt Park
Die schlechtesten Ergebnisse erreichte die NSDAP im
Stimmbezirk 37 (10,7%) Hagenbrücke, Kaiserstraße, Nickelnkulk,
Werder
Stimmbezirk 41 (11,0%) Karl-Schmidt-, Ludwig-, Münzberg-, Tauben-,
Uferstr.
Stimmbezirk 5a (11,9%) Eisenbahnwerkstätten
Stimmbezirk 65 (12,0%) Arndt-, Jahn-, Laffert-, Schöttlerstr.
Stimmbezirk 57 (13,4%) Kreuzstr., Hohetorwall.
1932: Reichstagswahlen
Bei der Wahl zum Reichstag am
31. Juli 1932 gewann die NSDAP in sechs der sieben oben genannten Stimmbezirke
wiederum die meisten Stimmen. Bei einem Stimmanteil von 43,1% in der
Stadt insgesamt lag erneut der Stimmbezirk 23 mit 65,4% an der Spitze;
es folgten
Nr.27 (64,1%),
Nr.30 (63,8%) Heinrich-, Infanterie-, Waterloo-, Wiesen-, Zeppelinstr.,
Nr.34 (63,3%),
Nr.31 (62,7%),
Nr.28 (62,2%),
Nr.22 (60,9%).
Lediglich der Stimmbezirk 12 war aus der Spitzengruppe verschwunden.
Die niedrigsten Anteile für die NSDAP finden sich in den selben
Stimmbezirken wie 1930, nur mit höheren Zahlen:
Nr.37 (19,3%)
Nr.41 (21,2%)
Nr.5a (21,2%)
Nr.65 (24,2%)
Nr.56 (25,9%).
In diesen Stimmbezirken erreichten die beiden Arbeiterparteien zwischen
72% und 77%.
Sicherlich sind die hier untersuchten Stimmbezirke bezogen auf das gesamte
Stadtgebiet nicht repräsentativ. Gleichwohl liegen die Ergebnisse
in diesen Stimmbezirken so deutlich über bzw. unter dem Durchschnitt,
dass zwei Trendaussagen berechtigt sind: In Braunschweig blieben bestimmte
Arbeitermilieus bemerkenswert resistent gegenüber dem Nationalsozialismus.
Der hohe Stimmanteil der NSDAP in den "guten" Vierteln (wie beispielsweise
im Bereich der Jasperallee) zeigt, dass die obere Mittelschicht und
die Oberschicht gegenüber dem Nationalsozialismus doch anfälliger
waren als bisher angenommen. Unstrittig bleibt, daß die zahlenmäßig
größte Wählergruppe der NSDAP auch in Braunschweig zum
Mittelstand rechnete.