Schützenplatz

Berichte von Jan Dziewanowski

Jan Dziewanowski wurde 1931 in Warschau geboren. Er wurde während des Warschauer Aufstandes nach Deutschland deportiert. In Braunschweig arbeitete er bis Mai 1945 mit seiner Mutter in der GNC/ Brunsviga - Rechenmaschinenfabrik in der Kastanienallee.

Q: Jan Dziewanowski. Aus: Liedke, Gesichter, S.55.
Arbeitskarte von Herrn Jan Dziewanowski

Die Deportation aus Warschau 1944

"Nach dem Ausbruch des Warschauer Aufstandes wurde ich zusammen mit meinen Eltern in einer Gruppe von etwa 600 Personen in ein ehemaliges Studentenwohnheim, Narutowicz-Straße, während des Krieges für Schupo bestimmt, gebracht. Wir wurde jetzt Geiseln. Für jeden getöteten Deutschen sollten 10 Geiseln erschossen werden. Am 7. August wurden 20 Personen erschossen. Mein Vater begrub die Leichen. Am 11. August wurde die ganze Gruppe in Richtung Stadtteil Okecie eskortiert, unterwegs...wurde sie von der Kaminski-Brigade 'übernommen'. Die betrunkenen Schergen mordeten, plünderten und vergewaltigten Frauen. Am 12. August erreichten wir Dulag 121 in Pruszkow, wo wir zwei Tage verbrachten. Am 14. August in den Nachmittagsstunden wurden wir in 40-Personen-Gruppen in die Güterwaggons gepfercht. Am nächsten Tag kam der etwa 15-20 Waggons zählende Zug ins KZ Oranienburg-Sachsenhausen. Hier wurden alle Männer, darunter auch mein Vater, von ihren Familien getrennt und im KZ festgehalten. Die alleinstehenden Frauen wurden ins KZ Ravensbrück überführt. Frauen und kleine Kinder brachte man wieder in die Güterwaggons. Der jetzt kürzere Zug fuhr ab. Am nächsten Tag stiegen wir auf einem Bahnhof aus und gingen ca. 5 km in ein Lager. Es gab dort Holzbaracken und große Zelte (gemeint ist das KZ Bergen-Belsen, d.V.). Am 17. oder am 18. August wurden wir zurück auf den Bahnhof eskortiert. Auf dem Bahnhof wurden wir in kleinere Gruppen geteilt; man befahl uns, in die vorbestimmten Waggons einzusteigen. Für meine Gruppe - ca. 200 Personen - wurden zwei oder drei Personenwaggons zugeteilt. Am nächsten Tag kam der Zug nach Braunschweig. Dort gingen wir unter Aufsicht eines Polizisten zum Arbeitsamt."

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Wanzen und Läuse

"Unsere Gruppe (35-40 Personen) wurde in einer Stube untergebracht. Der Raum war groß, er war für etwa 60 Personen vorgesehen. Es gab hölzerne Etagenbetten mit Matratzen, einen großen Tisch, hölzerne Hocker und an den Wänden kleine Regale. In der Mitte stand ein Steinofen. Im Winter bekamen wir einen Eimer mit Kohle oder Briketts. In einer Baracke gab es zwei Stuben mit getrennten Eingängen. In der Barackenmitte gab es einen Raum mit Waschbecken mit kaltem Wasser und Aborte.
Die Baracken waren voll Ungeziefer, besonders plagten uns Wanzen und Läuse, aber auch Ratten liefen im Lager herum. In verschiedenen Zeitabständen wurden die Baracken desinfiziert. Danach gab es etwas weniger Ungeziefer, aber schon nach einer Woche oder nach 10 Tagen war es wie früher."

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Verpflegung

"Jeder Lagerbewohner bekam einmal in 10 Tagen eine Lebensmittelkarte: eine arbeitende Person eine ganze, die Kinder und nicht arbeitende Personen eine halbe Karte. Das Essen bekamen wir einmal täglich um 20 Uhr, nachdem wir aus der Fabrik zurückgekehrt waren. Die tägliche Norm beinhaltete: eine Schüssel Suppe, Brot (zuerst 1kg für vier arbeitende Personen, dann, wohl ab 1. November 1944, für fünf arbeitende Personen und ab März 1945 noch weniger), 20g Margarine, 30-40g Wurst oder Schmelzkäse und einen Löffel Zucker... Die Suppe war immer gleichartig: zerkochte Kohlrüben oder gekochtes Sauerkraut. Ihr einziger Vorteil: sie war heiß. Lediglich zu Weihnachten bekamen wir besseres Essen: Die Portion Wurst war etwas größer, als Zulage bekamen wir irgendwelche Kuchen,...Meine Mutter ging in die Stadt, und aus Mülleimern fischte sie angefaulte Kartoffeln, Brotreste und Fischköpfe heraus und daraus kochte sie Suppe oder briet Kartoffelpuffer.... In der Nähe des Lagers gab es eine Kantine für Ausländer. Dort konnte man für 1 bis 4 RM ein Mittagessen, d.h. ein paar Kartoffeln mit Heringspaste, kaufen. Ich verdiente 1,50 bis 4,50 RM (monatlich, d.V.), und ich konnte mir nur einmal dieses Essen leisten. Die meisten Kunden dieses Lokals waren Franzosen, Holländer und Belgier."

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Quelle: Liedke, Karl: Gesichter der Zwangsarbeit. Polen in Braunschweig 1939-1945. Braunschweig 2. Aufl. 1997.