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Karikatur des "Vorwärts" aus: Rolof, Bürgertum und Nationalsozialismus, S.92

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Abschrift des Dienstvertrages zwischen dem Freistaat Braunschweig und dem Schriftsteller Adolf Hitler

 


Hitler als Professor?

Anfang Februar 1932 bemühte sich der Braunschweiger Innen- und Volksbildungsminister Klagges um die Einbürgerung Hitlers durch die Ernennung zum Braunschweiger Landesbeamten, genauer: durch die Berufung Hitlers auf eine Professur für "Organische Gesellschaftslehre und Politik" an der TH Braunschweig. Goebbels notierte am 4. Februar 1932 in seinem Tagebuch: "Es ist geplant, den Führer zum außerordentlichen Professor [an der Technischen Hochschule] in Braunschweig zu ernennen." Zunächst gab es hierzu nur Gerüchte, es hieß, Hitler solle die freigewordene Professur des entlassenen Leiters des Instituts für Erziehungswissenschaften, Dr. August Riekel, erhalten.

Im Landtag kam es hierüber zu erregten Debatten. Die Opposition, angeführt vom ehemaligen Ministerpräsidenten Dr. Heinrich Jasper (SPD), griff das "System Klagges" sowie dessen Heimlichkeiten in dieser Angelegenheit an und fand mit ihrer Kritik großes Echo in der Presse. Klagges ergriff daraufhin die "amtliche" Initiative und betrieb die Berufung Hitlers zum Professor nun offiziell. In einer Aktennotiz vom 17./18. Februar legte er seine Auffassung dar, dass Hitler die geeignete "Persönlichkeit" sei, um das "heranwachsende Geschlecht" über die "künftige Schicksalsgestaltung unseres Volkes zu unterrichten" und daher die Professur erhalten solle. Für die Berufung angeforderte Rechtsgutachten bestätigten, dass mit der "Verleihung des Staatsamtes eines planmäßigen a. o. Professors" die Braunschweigische Staatsangehörigkeit erworben werde. Den Senat der Hochschule konnte Klagges in dieser Personalangelegenheit außen vor lassen, da er die Professur Riekels - eine "Ordentliche Professor für Allgemeine Erziehungswissenschaft" an der Abteilung für Kulturwissenschaften - kurzerhand in die o. g. Professur für organische Gesellschaftslehre umgewandelt hatte und es sich nunmehr um die Besetzung einer 'neuen' Professur handelte, bei der die Zustimmung der Hochschulverwaltung und des Senats nicht nötig war.

Trotz dieser eindeutigen Rechtslage vermochte Klagges die Ernennung Hitlers zum Hochschulprofessor nicht durchzusetzen, da die Vertreter der "bürgerlichen Einheitsliste" im Landtag - die zusammen mit den 9 Nationalsozialisten die Regierungskoalition bildete - und insbesondere deren Exponent, der leitende Staatsminister Werner Küchenthal, sich dagegen aussprachen. Als sich dann auch ein Plan Küchenthals zerschlug, Hitler eine kommissarische Bürgermeisterstelle im Städchen Stadtoldendorf zu übertragen, zeichnete sich ein Bruch der Braunschweiger Regierungskoalition ab. Einem Abgeordneten der DVP, die einen Bruch der Koalition und mögliche Neuwahlen am meisten zu fürchten hatte, gelang schließlich mit dem Vorschlag, Hitler die Stelle eines Regierungsrates an der Braunschweigischen Gesandschaft in Berlin zu übertragen, die Einigung. Zwar konnte Goebbels, als er Hitler am 22. Februar 1932 als Präsidentschaftskandidaten proklamierte, diesen noch nicht als Regierungsrat präsentieren. Die Vereinbarung folgte aber kurz darauf, rechtzeitig zur Wahl. Während ein Teil der Presse noch die Ernennung Hitlers zum Professur an der TH ankündigte (so die "Deutsche Allgemeine Zeitung" vom 23. Feb. 1932), wurde die Anstellung Hitlers als Regierungsrat in Braunschweig von Klagges gemeinsam mit den bürgerlichen Koalitionspartnern besiegelt. Die Einbürgerung Hitlers erfolgte nun nicht über den ansehnlichen Posten eines Professors, sondern über seine Anstellung beim Landeskultur- und Vermessungsamt in Braunschweig, mit Dienstpflichten als Sachbearbeiter in Berlin.

Quellen:
Morsey
, Rudolf: Hitler als Braunschweigischer Regierungsrat, in: Vierteljahrshefte für Zeitgeschichte, 8 (1960), S. 419-448.
Overesch, Manfred: Professor Hitler, in: Mitteilungen der Technischen Universität Carolo-Wilhelmina zu Braunschweig, 16 (1981), Heft II, S. 57f.
Pollmann, Klaus Erich: Die nationalsozialistische Hochschulpolitik in Braunschweig, in: Walter Kertz (Hg.): Technische Universität Braunschweig. Vom Collegium Carolinum zur Technischen Universität 1745-1995. Hildesheim / Zürich / New York 1995, S. 443-465.