Die Schöppenstedter Straße 31
heute.
In der Schöppenstedter Straße
31 " [. . .] mußten 104 Personen geborgen werden. Bei neun
von ihnen hatten die sofort angestellten Wiederbelebungsversuche Erfolg,
während 95 Personen infolge Sauerstoffmangels umgekommen waren"
(Prescher, 91).
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Luftschutzkeller
Im Luftschutzraum
verschüttet
Es war ein großer ausgebauter Keller
[in der Schöppenstedter Straße 31], in dem etwa 120 Menschen Platz hatten.
Der Keller war ziemlich voll. Während der ersten Phase des Angriffs ging
eine Gruppe hinaus, um noch Sachen aus den Häusern zu holen. Das gelang
auch. Die Gruppe kehrte zurück und berichtete, welche Häuser bereits brannten.
Daraufhin ging eine zweite Gruppe los. Ich wollte mitgehen, aber meine
Mutter ließ das nicht zu. Diese Gruppe kam nicht wieder. Offensichtlich
sind alle ums Leben gekommen. Von diesem Augenblick an hieß es: „Niemand
verläßt den Schutzraum. Die Türen bleiben geschlossen."
Neben uns saß eine Frau mit einem etwa vier oder fünf Jahre alten Kind
auf dem Schoß. Das Kind war plötzlich ganz still und bewegte sich auch
nicht mehr. Es war gestorben. Das war mir so schrecklich, daß ich meine
Mutter überredete, uns einen anderen Platz zu suchen. Wir fanden ihn an
einer großen Wassertonne.
Der Angriff tobte. Das Krachen der Bomben, die Erschütterungen, das Schreien
der Menschen - es war grauenhaft. Dann ging das Licht aus. Kerzen wurden
angezündet. Meine Mutter und ich standen über die Tonne gebeugt und spritzten
uns fortwährend Wasser ins Gesicht. Dann gingen die Kerzen aus. Die Männer
vom Luftschutz wollten die Tür öffnen, aber das ging nicht mehr. Wir waren
verschüttet.
Wir sollten uns keine Sorgen machen, sagten sie. Der Keller sei als öffentlicher
Schutzraum bekannt, und man werde uns schnellstens rausholen. Irgendwann
begannen die Leute zu klagen, daß sie keine Luft mehr bekämen. Es kam
die Anweisung, sich auf den Boden zu legen. Meine Mutter und ich blieben
an dem Wasserfaß und schöpften weiter Wasser in unsere Gesichter. Ich
bin sicher, daß uns dieses das Leben rettete. Dann wurde es im Keller
immer stiller.
Später kamen die Männer eines Bergungstrupps und holten uns durch ein
Loch heraus. Wieviele gerettet wurden, weiß ich nicht, aber viele können
es nicht gewesen sein. Wir stiegen über die am Boden liegenden Toten.
Sehen konnten wir nichts, denn es war stockdunkel in dem Keller. Draußen
war bereits heller Tag. Es brannte nicht mehr, aber die Trümmersteine
waren noch heiß.
Wir wurden zum Museumspark geschickt. Dort war ein Sammelplatz. Belegte
Brote bekamen wir und Tee. Die Versorgung war sehr gut. Mehrere Tage blieben
wir dort, bis wir schließlich zu einer Tante auf der jetzigen Karl-Marx-Straße
zogen, zusammen mit anderen ausgebombten Verwandten.
(Käthe Kluge)
Quellen:
Bericht von Käthe Klug in der Braunschweiger Zeitung
vom 26.10.1984, zitiert in:
Bein, Reinhard. Zeitzeichen. Braunschweig: Döring, 2000. S. 250.
Prescher, Rudolf. Der rote Hahn über Braunschweig.
Braunschweig: Waisenhaus-Buchdruck, 1955.
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