Anklageschrift Am Samstag, den 21. Oktober formuliert Staats-anwalt Hirte eine knappe Anklageschrift, in der er sich auf das Geständnis von Erna Wazinski stützt. Der Vorsitzende des Sondergerichts, Lerche, beruft noch zum selben Sonnabend eine Sitzung des Sondergerichts ein. Neben den Richtern nimmt auch der bestellte Pflichtverteidiger teil, der seltsamer-weise keinerlei Zeugen beruft und auch keinerlei Bemühungen äußert, das Verfahren in die folgende Woche zu verschieben. In einem überaus glatten Verfahren folgt das Gericht dem Antrag des Staatsanwaltes und der Version der Ermittlungsergebnisse. Das Urteil, das auch der Verteidiger in das Ermessen des Gerichts stellt, lautet "Todesstrafe wegen Plünderung". Dabei ist zu bemerken, dass unter der Anwendung der sogenan-nten "Volksschädlingsverordnung" aus gewöhn-lichem Diebstahl Plünderung wurde, die mit der Todesstrafe geahndet werden konnte: "Am Montag, den 18. Oktober 1944 half die Angeklagte den Bewohnern ihres ebenfalls abgebrannten Nachbargrundstücks Langedammstrasse 8 beim Bergen von Sachen, die aus dem Luftschutzkeller herausgeholt werden konnten und in einem unbeschädigten Nebengebäude abgestellt wurden... Hiernach steht fest, dass die Angeklagte in einem unter der Einwirkung eines Terrorangriffs freiwillig geräumten Gebäude geplündert hat. Sie war sich auch bewusst, dass ihre Handlungsweise über den Rahmen eines normalen Diebstahls hinausging, denn sie hat die Folgen des Terrorangriffs ...bewusst genutzt, um sich Kleidungsstücke anzueignen, die für die Bestohlene das Letzte und damit wertvollste Gut darstellten...Wer derart eigennützig die schwerste Notlage seiner Volksgenossen ausnutzt, handelt so verwerflich und gemein, dass ihn die für Volksschädlinge dieser Art nach §1 Volksschädlingsverordnung vom 5.9.1939 ausschließlich vorgesehene Todesstrafe treffen muss. Daran kann auch die Jugend der Angeklagten nichts ändern." |