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In der Schlussphase der Arbeiten an der Gruft begann ein Ausweitungsprozess, der das Vorhaben der Umgestaltung in den Innenraum des Domes hineintrug. In einer als "schöpferisch" verstandenen Form der Denkmalpflege setzten sich regionale Kulturpolitiker und Denkmalpfleger für eine umfassende Erneuerung des Kirchenbaus ein. Angestrebt wurde nun eine "Generalbereinigung des gesamten Inneren" des Domes, wie sie beispielsweise der Leiter des Vaterländischen Museums in Braunschweig, Johannes Dürkop als Ausdruck eines "modernen Kunstempfindens" forderte. Diesen Vorstellungen entsprechend wurde ein neuer Fußboden mit Schachbrettmuster eingesetzt. Die alten Glasfenster wurden gegen einfache Klarverglasung ausgetauscht. Im Mittelschiff der Kirche entfernte man das Gestühl. Schmiedeeiserne Kandelaber standen vor jedem zweiten Pfeiler. Nur wenige Pfeilerfresken konnten noch vom ehemals christlichen Charakter des Raumes zeugen. Der Chorraum wurde durch einen Vorhang abgetrennt, vor dem sich ein riesiger Reichsadler mit Hakenkreuz fand. Den visuellen und symbolischen Abschluss des Innenraums stellten somit NSDAP-Fahnen und ein riesiges Hoheitszeichen dar. Elemente früherer Epochen, etwa des als "weltanschaulich krank" empfundenen Kaiserreichs, wurden entfernt, Gewölbe und Wände ihrer historischen Ornamente entledigt und durch eine schlichte, neue Gestaltung ersetzt, die die "befreiende Erhebung" vorbereitete, die dem Besucher "aus der Begegnung mit einer der größten Persönlichkeiten unserer Vergangenheit erwachsen" sollte. In einem spezifischen Spannungsfeld von moderner Kunst und Staatspropaganda erhielt der Braunschweiger Dom somit im Innern eine völlig neue Gestalt. Nach 1945 wurden allerdings nur die offensichtlich politischen Elemente - wie etwa die Hakenkreuze - entfernt, während man die eher formalen Mittel der Vermittlung von Weltanschauung - etwa die Reduktion, Offenheit und Schlichtheit des Innenraums - unverändert beließ und bis heute akzeptiert. Literatur: |