Zeitzeugenerinnerungen

Ich hatte Angst, meine Angst nahm zu, wenn die Luftlagemeldungen für Braunschweig über Drahtfunk kamen. ... Ich hatte das Gefühl, so wie es war, wird es nicht wieder, meine Eltern haben während der Inflation geheiratet und hatten bis zu meiner Konfirmation ihren Haushalt schön eingerichtet, dann kam der Krieg, ich habe sehr viel geweint, weil ich das Gefühl hatte, meine Jugend ist vorbei. ... Mein Zorn und meine Wut richteten sich gegen die Menschen, die diese Angriffe flogen: Die Amerikaner bei Tag, und die Engländer bei Nacht. [Stock]

Da hatte man keine Gedanken und Gefühle mehr. Ich kann auch nicht sagen, daß ich wahnsinnige Angst gehabt hätte. Man war, wahrscheinlich durch unsere Erziehung, sehr diszipliniert. Man hatte zwar Angst, aber man hat es nicht gezeigt. ... Im Grunde genommen haben erstmal alle unter einem gewissen Schock gestanden. Das ist eine wunderschöne natürliche Reaktion. So ein Schock schirmt davor ab, ins Feuer zu laufen. [Demann]

Wut? Kann man nicht sagen, Angst schon eher. Hoffentlich passiert nichts und so. Wir sind darauf geschult worden, daß was passierte, wir hatten Krieg! Und Opfer müssen sein! [Gerschler]

Ich hatte eigentlich nie Zeit, Angst zu haben. Ich hatte mehr Wut. Die meisten hatten Wut. [A. Ahrens]

Meine Einstellung war: Die armen, armen Menschen! Wann endlich geht dieser Krieg zuende? Vielleicht wurde er deswegen so verlängert, weil die Führung selbst nur überleben wollte. [Dressler]

Die Leute haben sich gefreut, daß sie überlebt haben. Deswegen konnte ich gar nicht an Wut denken, Sachwerte waren damals nicht so wichtig. [Kuhn]

Meine Einstellung gegenüber den feindlichen Bombern: Man soll nicht nach rückwärts sehen. [Mecke]

Glaube an den Endsieg: Da gab es ein unheimliches Gerücht, nachdem die Amerikaner schon da waren. Es hieß, vor Magdeburg wird die Wunderwaffe eingesetzt. Von dort hörten wir auch ein merkwürdiges Grummeln. Aber dann war es doch nichts. [Diedrich]


Meine Gedanken beim Angriff waren folgendermaßen: Ich habe schon den I. Weltkrieg mitgemacht und wußte schon mit solchen Sachen Bescheid, und habe mir nur gesagt, wie ist so etwas möglich? Wie kann das jetzt wieder kommen? Und das ist so furchtbar, wie die das gemacht haben. Die haben erst Brandbomben geschmissen. Wenn dann die Menschen löschen wollten, dann kamen die Flugzeuge mit den Sprengbomben. [Loormann]

Ich war beim Jungvolk und hielt dies für eine tolle Truppe. Aber Haß gegen die bombardierenden Alliierten hatte ich nicht. ... Die Luftangriffe waren sinnlos wie der ganze Krieg. Schließlich dürfen wir nicht vergessen, daß wir angefangen haben. Der erste Angriff auf London war ja auch gegen die Vorschriften gewesen. [Kuhn]

Ich fing an, auf die Verantwortlichen in der Regierung böse zu werden. Besonders nach dem Angriff des 14./15. Oktober habe ich gedacht, das kann doch alles nicht in Ordnung sein. Man muß dazu wissen, daß wir ja ganz anders erzogen waren. Als damals 14-jähriges Mädchen stellte ich mich sogar einmal gegen meine Mutter, indem ich ihr sagte: »Ich zeige dich an, wenn du mich dort nicht hingehen läßt.« [Knörich]

Was soll ich zum Endsieg sagen, darüber haben wir uns eigentlich kein Kopfzerbrechen gemacht. Als es dann hieß: »Kämpfen bis zum letzten Mann« und die Amerikaner waren schon im Rheinland, da war es praktisch schon zu Ende. Und die haben immer noch gekämpft in Berlin, das war Blödsinn. Wir haben erlebt, wie sie die 14-jährigen Jungen noch losgeschickt haben aus dem Dorf. [Triebel]

Mein Vater hat immer über den Wahnsinn geschimpft, so daß einmal bei einem Spaziergang Frau Kesselring (die Frau eines Cousins des gleichnamigen Generals) an der Kehrbeeke zu ihm gesagt hat: »Reden Sie leise!« Wir kannten folgendes Gedicht: Lieber Tommy, fliege weiter, laß in Ruh die Ruhrarbeiter, fliege weiter nach Berlin, denn die haben JA geschrien! * (* Bei der Goebbels-Rede im Sportpalast in Berlin auf die Frage: »Wollt Ihr den totalen Krieg?«) [Labus]

Quelle:
Friedrich, Heinz und Frieder Schöbel
. Braunschweig im Bombenkrieg. Band 1. Braunschweig: Friedenszentrum BS e.V., 1993. S. 115-116.